Indian Ocean, 20. August
2009, 00:45 (IST Indian Standard Time)
Sie
sucht mich an den Ufern, nicht länger ist sie im Trockenen. Still saß sie vor
langer Zeit am See Ontario und früher einmal spuckte sie in den Wannsee. Sie
scheute die Nässe und ließ meine Tränen nicht ihre Wangen benetzen. Sie blieb
und steckte die Füße in hohe Schuhe, die schmerzten. Weit wurden ihre Pupillen
vor Angst, wenn ich sanft Wellen ans Land schlagen ließ. Als ahnte sie schon,
was kommen würde... Sie konzentrierte sich auf die Segelboote und lauschte dem
Klang der Dampfschiffschlager. Sie tat, was sie konnte, um mich nicht zu hören.
Nun aber steht sie in der Böschung, den Kopf zur Seite geneigt, das blonde Haar
weht ihr aus dem Gesicht, die Nase schnuppert, die Ohren spitz wie die Brüste
unter der Bluse. Sie lauscht. Dem Gesang der Sirene, die sie ist.
Lost all your letters when the ship sank
In the disjointed breaking light
The soft blue approach of the water
Makes a sound you won't forget
Wo
warst du, Melusine? Ich war eine Haut ohne Schuppen, ein Fetzen trockenes
Papier. Ich blutete nicht mehr und
stöhnte nicht und sang nicht gegen die Wellen. Wo warst du, Melusine? Ich war
unter den teuren Erden, ich war ein roter Staub zwischen den Zehen, ich war die
Asche unter den Hölzern. Wo warst du, Melusine? Am anderen Ende der Welt. Ans
andere Ende der Welt, Schwester, hast du mich verbannt. Du vergaßt meinen
Drachenleib und dachtest nur an den Fischschwanz. Wo warst du, Melusine? Ich
breitete die Flügel des Drachen aus. Ich war ein Vogel im Baum, ein Schimmer
zwischen den Büschen. Ich kannte mich nicht mehr, weil du mich verleugnetest.
Wo warst du, Melusine? Ich fiel getroffen vom Stein aus dem Himmel vor seine Füße.
Wo warst du, Melusine? Ich war gestorben, mein kleines Herz unter den Federn
hatte aufgehört zu schlagen.
I took the Wrong Road round
Stranded at low-tide where the river bends
Wouldn't you know it, that's how life ends
Melusine,
tat ich das? Wie bringe ich dich wieder zum Singen? Ozeane unter der platzenden Kruste,
langsam wie Lava, zäh wie Brei, trieben dich fort? Erst der dunkle Ritter ließ
dich erbeben. (Er ist es nicht.) Solange du dich verbargst, konnte ich nicht
leben. Der salzige Geschmack in meinem Mund aus der Tiefe dieses Meeres, als du
dich ihm öffnetest. (Er ist es nicht.) Aber er bohrte den Boden auf. Es rauschte
in meinen Ohren dein Stöhnen. Sie kam zurück. Sie sang. Die Verräterin tauchte
durch die Nacht.
Wie
schrecklich bin ich, wie schön und wie traurig. Einer wird sterben. Wie ich
starb, als ich ein Vogel war und du die Schlange. Wir nahmen den falschen Weg.